Was bietet das Schulministerium?
Man arbeite an einem Konzept für „Fernunterricht“, um die Schülerinnen und Schüler digital zu erreichen, sagte Ministerin Gebauer schon am 14. März im WDR-Interview. Dieses Konzept liegt nun vor, vier Monate später, eine Woche vor Beginn des neuen Schuljahres. Bisher hatten die Schulen zwei Dinge vom Ministerium bekommen: Sechs didaktische „Impulse“ für das Distanzlernen im Mai und eine abgespeckte Version der Lernplattform Moodle im Juni (benannt als LOGINEO NRW LMS). Darüber hinaus gibt es viele Ankündigungen: ein datenschutzkonformer Messenger für die Schulen komme noch vor Schulstart, so Gebauer heute, ebenso ein Video-Konferenz-Tool, und eine digitale „Ausstattungsoffensive“ über 350 Mio. Euro wurde angepriesen.
Unter anderem soll es zum Schulstart auch eine Handreichung geben „zur Entwicklung organisatorischer, didaktischer und pädagogischer Konzepte sowie mit Hinweisen zur Leistungsbewertung“ (MSB NRW), dann noch Unterrichtsbeispiele, und neue digitale Fortbildungsangebote. (Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, die Veröffentlichung der Handreichung am heutigen Montag der 32. KW für dieselbe 32. KW anzukündigen und das dann eine Woche vor Schulbeginn als “rechtzeitig zum Start in das neue Schuljahr” zu bezeichnen. Ein Affront für viele engagierte Schulen, die seit Wochen auf die Ansagen aus dem Ministerium warten, um sich auf das nächste außergewöhnliche Schuljahr vorzubereiten. Die Handreichung wird dann hier veröffentlicht: www.broschüren.nrw/distanzunterricht.)
Schauen wir uns die beiden Landesplattformen an, die Schulen bereits beantragen können. Wie können die Schulen LOGINEO NRW und LOGINEO NRW LMS nutzen?
LOGINEO NRW: die „Basis-IT-Infrastruktur”
Von Landesseite stellt das Ministerium die cloud-basierte Arbeitsplattform LOGINEO NRW zur Verfügung (siehe Grafik), das Land nennt die Software-Lösung vielversprechend „Basis-IT-Infrastruktur“. Bei diesem Schlagwort denke ich sofort an eine Kombination aus Learning-Management-System mit integrierter Office-Suite zum gemeinsamen Bearbeiten von Dokumenten und allerlei Helferlein, um den Schulalltag zu erleichtern.
Seit Ende 2019 können Schulen LOGINEO NRW beantragen. Dabei handelt es sich um eine Groupware und einen Cloud-Dateispeicher. Dahinter stecken die Open-Source-Produkte SoGo und EduSharing und eine selbst gebaute Benutzerverwaltung, die alle Produkte unter einem Dach bündelt, das Bildungsmedienportal EDMOND NRW kann darüber ebenfalls erreicht werden. Mit LOGINEO NRW bekommen Lehrkräfte erstmals eine dienstliche Mailadresse, um beispielsweise Eltern und Schülerinnen anmailen zu können. Außerdem bietet LOGINEO NRW einen Dateispeicher mit Freigabefunktionen, um beispielsweise Arbeitsblätter intern freigeben zu können.
Weitere Komponenten, die den Schulalltag erleichtern würden, sind nicht on board. Ein digitales Klassenbuch? Eine Office-Suite mit Kollaborationsfunktion? Module für Vertretungsplan, Kurswahlen oder Elternbriefe? Krankmeldungen, Sprechstundenbuchung, digitales Schwarzes Brett? Fehlanzeige. Software-Deployment, Geräteverwaltung, Netzwerksteuerung? Da habe ich den Begriff “IT-Infrastruktur” wohl fehlgedeutet.
Das größte Problem ist aber, dass Schülerinnen und Schüler bisher noch keinen Zugang zur Plattform haben, wieder wurde kein fixer Termin benannt, lediglich “das Schuljahr 2020/21” genannt. Und da der Dateispeicher keine Freigabe von Dateien nach draußen zulässt, scheidet LOGINEO NRW sogar für die Bereitstellung von Aufgaben per PDF aus. In späteren Versionen von LOGINEO NRW sollen Schülerinnen und Schüler einen Zugang bekommen (Version 1.5), auch weitere Funktionen sollen hinzukommen.
Gerade war die Plattform zwei Wochen offline. Nun läuft sie zwar wesentlich flüssiger als vorher, aber dafür funktionieren manche Importe und die Einbindung in die Homepage nicht mehr, berichten schulische Administratoren. Das Erstaunen unter Lehrkräften war groß, so manche Schule arbeitet auch in den Ferien, eine Plattform könne nicht einfach zwei Wochen vom Netz gehen, sagen IT-Experten. Wer seine Dienstmails damit verwaltet, vielleicht Fachschaftsarbeit oder schulische Termine zur Vorbereitung des neuen Schuljahres darüber koordiniert, musste tatsächlich Ferien machen.
Das habe mit professioneller IT nichts zu tun, heißt es von Seiten der Experten. Aber es betrifft nur wenige Schulen. Denn bei den 1.200 Schulen, die laut Gebauer bereits LOGINEO NRW haben, handelt es sich um die Zahl der eingegangenen Anträge, nicht die Zahl der von den Schulen eingerichteten Instanzen und sie spiegelt nicht die Zahl der Schulen wider, die die Plattform wirklich produktiv nutzen. Man sei froh, nun eine Dienstmail nutzen zu können, so der Tenor der Schulen, die ihre Instanz in Betrieb genommen haben.
Solange die Schülerinnen und Schüler keinen Account erhalten, können Schulen LOGINEO NRW für das neue Schuljahr also nur innerhalb des Kollegiums. Aber selbst dann – und das ist wohl der größte Kritikpunkt an der Gesamtkonstruktion unter der Haube von LOGINEO NRW – wird die interne Dateiablage EduSharing keine kollaborative Office-Suite bekommen. Die Open Source EduSharing ist als Mediendatenbank konzipiert worden, nicht als Fileserver mit Online-Office. Die bisherigen Versuche der EduSharing-Entwickler, das Open-Source-Office OnlyOffice zu implementieren, laufen bisher nicht zufriedenstellend.
Selbst wenn also in diesem Schuljahr auch Zugänge für Schülerinnen und Schüler erfolgen, ist immer noch keine Zusammenarbeit online und zeitgleich möglich, eine Datei für die Gruppenarbeit muss erst heruntergeladen, mit einem – hoffentlich vorhandenen – Office auf dem eigenen Rechner bearbeitet und wieder hochgeladen werden. In der Zwischenzeit sollte möglichst kein anderes Team-Mitglied dieselbe Datei herunterladen, bearbeiten und wieder hochladen, denn dann existieren neben der ursprünglichen Datei gleich zwei weitere, verschiedene Versionen. Die Datei wird währenddessen nicht gesperrt, eine Versionierung ist bisher nicht vorhanden. Das ist nicht state of the art im 21. Jahrhundert.
Ich habe einen Sohn in der 5. Klasse, der, leider Gottes, dieses Portal benutzen muss.
Mit professioneller IT hat es in der Tat nichts zu tun. Völlig unübersichtlich, unintuitiv etc.. Noch hinzu kommt die Unfähigkeit der meisten Lehrer sich um einen einheitlichen Eintragungsort und -stil zu bemühen. Termine, Hausaufgaben etc. zu finden gleicht einem Suchspiel. Stets mit der Sorge etwas übersehen zu haben. Was natürlich dann den Schülern angelastet wird.
Letztendlich verwundert ein solch schlechtes Produkt aber nicht. Da selbst Softwareentwickler, weiß ich um die Ausschreibungen und Bezahlung des Landes für ihre ITler. Diese Positionen sind dermaßen unattraktiv, so dass kein kompetenter Programmierer sich darauf bewerben würde. Na, dann muss man als Land halt nehmen, was übrig bleibt. Schade für euch, Kinder.